Mit der Schaffung des Erbbaurechts sollte einkommensschwächeren Menschen die Möglichkeit gegeben werden, Wohneigentum zu bilden. In der Ursprungsform war es preiswerter, auf einem fremden Grundstück zu einem günstigen Erbbauzins zu bauen als auf einem eigenen Grundstück, das es meist zu finanzieren galt.

Wie funktioniert das Erbbaurecht? 

Für die Begründung eines Erbbaurechts sind immer zwei Parteien erforderlich. Das ist zum einen der Erbbaurechtherausgeber (=Erbbaugeber). Ihm gehört das Grundstück. Zum anderen ist der Erbbaurechtnehmer (Erbbauberechtigte) zu nennen. Er ist der zeitlich befristete Pächter dieses Grundstücks. In einem Erbbaurechtvertrag überlässt der Eigentümer dem Pächter zum Zwecke der Wohnbebauung sein Grundstück. Der Zeitraum liegt üblicherweise zwischen 50 und 99 Jahren. Dafür erhält er im Gegenzug eine fest vereinbarte Gegenleistung, den Erbbauzins. Das Erbbaurecht ist ein grundstücksgleiches Recht. Das bedeutet, dass es genau wie ein Grundstück verkauft, vererbt und – für die Finanzierung wichtig – beliehen werden kann. Als Erbbaurechtsgeber kommen in der Regel Eigentümer großer Grundstücksflächen in Frage. Oft sind dies Kommunen, Kirchen oder Stiftungen. Private Erbbaurechtsgeber sind eher die Ausnahme. Der Vertrag muss notariell geschlossen (beurkundet) werden. 

Wie sieht die Bank die Finanzierung eines Erbbaurechts bzw. einer Immobilie auf Erbpacht? 

Das kommt zunächst darauf an. Die entscheidende Frage ist, an welcher Stelle im Grundbuch (Rangfolge) sich die Beteiligten wiederfinden. Grundsätzlich erhält das Erbbaurecht Vorrang vor einzutragenden Grundschulden. Hätte die Bank die erste Rangstelle inne und würde das Objekt zwangsversteigern lassen, geht das Erbbaurecht unter und der Erbbaurechtgeber künftig leer aus.    

Steht hingegen das Erbbaurecht an erste Rangstelle und müsste die Bank in einem solchen Fall die Immobilie versteigern lassen, wird das Erbbaurecht vor der Bank befriedigt. Diese sogenannte Vorlast (meist das 27-fache des jährlichen Erbbauzinses) zieht der Kreditgeber vom Wert des Gebäudes ab und gelangt so zu einer maximalen Finanzierungsobergrenze. Diese läge dann, nur objektbezogen und abhängig von der Restlaufzeit des Erbbaurechts, deutlich unter den Beleihungsmöglichkeiten bei einem Gebäude auf einem Eigentumsgrundstück. Um in der Praxis dennoch eine Finanzierung zu ermöglichen, fordern Kreditinstitute meist eine sogenannte Stillhalteerklärung vom Eigentümer. Sie enthält abweichende Regelungen für den Zwangsversteigerungsfall.

Wie hängen Erbbaurecht und Grunderwerbsteuer zusammen?

Muss für ein Erbbaugrundstück überhaupt Grunderwerbsteuer gezahlt werden? Die Antwort ist eindeutig und widersprüchlich zugleich. Beim Abschluss eines Erbbaurechtvertrages wird kein Eigentum übertragen. Der Widerspruch besteht also zunächst in der Begrifflichkeit der Grunderwerbsteuer. Dort, wo kein Erwerb stattfindet, dürfte auch keine Steuer anfallen! Weit gefehlt. Das Erbbaurecht wird als sogenanntes grundstücksgleiches Recht behandelt. Deshalb ist laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auch das für Grundstücke geltende Recht anwendbar. Für die Bemessung der Grunderwerbsteuer eines Erbbaurechts ist im Vergleich zum Eigentumserwerb nicht nur auf den Kaufpreis abzustellen, sondern ebenfalls auf die Höhe der jährlichen Erbpacht in Abhängigkeit von der Restlaufzeit des Erbbaurechtsvertrages. 

Als Grundlage für die Ermittlung dient eine sogenannte Vervielfältigertabelle aus dem Bewertungsgesetz (BewG).

Vervielfältigertabelle gemäß Bewertungsgesetz Anlage 9a (Auszug)  

Laufzeit in Jahren  Kapitalwert 
hier: Restlaufzeit des Erbbaurechts  hier: Multiplikator für jährlichen Erbbauzins 
0,974 
1,897 
2,772 
3,602 
4,388 
   
41  16,602 
42  16,710 
43  16,813 
44  16,910 
45  17,003 
   
76  18,362 
77  18,379 
78  18,395 
79  18,410 
80  18,424 
   
96  18,572 
97  18,578 
98  18,583 
99  18,589 
100  18,593 
101  18,598 
mehr als 101  18,600 

 

Beispiel zur Ermittlung der Grunderwerbsteuer bei Erbbaurechten

An der Stelle sollen zwei Beispiel zur Ermittlung der Grunderwerbsteuer bei Erbbaugrundstücken dargestellt werden.

Beispiel 1:  
Zwischen Erbbaurechtherausgeber (Eigentümer des Grundstücks) und Erbbauberechtigten wird ein Erbbaurechtvertrag geschlossen. Auf dem Grundstück darf ein Einfamilienhaus errichtet werden. Das Grundstück liegt in Schleswig-Holstein. Als Wert für den jährlichen Erbbauzinses sind 6.000 Euro vereinbart. Die Laufzeit des Erbbaurechts beträgt 99 Jahre.  

Bei einer Restlaufzeit von 98 Jahren beträgt der Multiplikator 18,583.  

Jährlicher Erbbauzins 6.000 Euro x 18,583 = 111.498 Euro. Dieser Wert stellt die Berechnungsbasis für die Grunderwerbsteuer dar und muss jetzt nur noch mit dem für das jeweilige Bundesland gültigen Steuersatz multipliziert werden.
Die Grunderwerbsteuer beträgt 111.498 Euro x 6,5% = 7.247,37 Euro.  

Beispiel 2:  
Erwerb einer Eigentumswohnung in Hamburg im Jahr 2017, Kaufpreis 600.000 Euro. Das Gebäude liegt auf einem Erbpachtgrundstück. Der Erbbaurechtsvertrag wurde 1996 über eine Laufzeit von 99 Jahren geschlossen. Die Restlaufzeit beträgt 78 Jahre. Die Wohnung wurde 1998 fertiggestellt. Der jährliche Erbbauzins beträgt 2.900 Euro für diese Wohnung. 

Neben dem Kaufpreis von 600.000 Euro muss nun noch der Wert des Erbbauzinses kapitalisiert werden. Der Fertigstellungszeitpunkt spielt keine Rolle. Die Rechnung sieht jetzt folgendermaßen aus: 

Jährlicher Erbbauzins 2.900 Euro x 18,395  =  53.345,50 Euro 
zuzüglich Kaufpreis: 600.000,00 Euro  
Bemessungswert Grunderwerbsteuer  =  653.345,50 Euro 

Die Grunderwerbsteuer beträgt 653.345,50 Euro x 4,5% = 29.400,55 Euro.

 

Welche Vorteile hat ein Erbbaugrundstück bzw. das Erbbaurecht? 

Diese Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Zu unterschiedlich sind die Verträge und Bedingungen. Es gibt Vereinbarungen, bei denen heute z.B. 350 Euro jährlich gezahlt werde. Steht eine Verlängerung wegen Auslaufs oder Verkaufs an, ist es nicht selten der Fall, dass sich Erbbauzinsen verzehn- oder gar verzwanzigfachen. 

Beispiel: die Erbpacht für ein Grundstück von 800 qm beträgt 350 Euro gemäß Altvertrag. Ein vergleichbares Grundstück kostet 200 Euro/qm. Erbbaurechtgeber ist die Kommune. Der Vertrag läuft aus und muss neu verhandelt werden. Welche Optionen gibt es?     

Zunächst einmal findet oftmals keine Verhandlung statt. Immer dort, wo Kommunen, öffentliche Stiftungen oder auch Kirchen Erbbaurechtherausgeber sind, sind die Regularien derart gestrickt, dass es nur ein fixes unveränderliches Angebot an den Erbbaurechtnehmer gibt. Dieses kann er annehmen oder ausschlagen. Im oberen Beispiel war der Erbpachtzins ohne Werterhöhungsklausel festgeschrieben. Werterhöhungsklausel bedeutet, dass der Erbpachtzins regelmäßig nach festgelegten Kriterien an den Verbraucherpreisindex (früher Lebenshaltungskostenindex) angepasst werden kann. Diese Regelung war bis in die 1950er Jahre hinein unüblich. Für einen erneuten Abschluss verlangt die Kommune jetzt umgerechnet einen Erbbauzins, der einer Verzinsung von 4% pro Jahr entspricht. 

800qm x 200 Euro = 160.000 Euro x 4% = 6.400 Euro 

Der Erbbaurechtnehmer soll also künftig 6.400 Euro im Jahr als neue Erbpacht zahlen. Die Kreditzinsen für die Finanzierung sind aktuell ca. halb so hoch. Bei einer angenommenen Tilgung von 2% im Jahr zahlt der Kreditnehmer den gleichen Betrag wie für den Erbbauzins, ist jedoch nach ca. 35 Jahren stolzer lastenfreier Eigentümer des Grundstücks. 

Unter Annahme der heute sehr niedrigen Zinsen verliert das Erbbaurecht deutlich an Attraktivität. Dies kann sich bei einem höheren Zinsniveau umkehren. Fairerweise darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Erbbaurechtnehmer im vorgenannten Beispiel jahrelang überdurchschnittlich gegenüber einem Käufer eines Vergleichsgrundstücks gespart hat. Wer aber nicht vorgebeugt hat und dessen Rente gering ist, kann dadurch jedoch zum Verkauf gezwungen sein. Allerdings werden Immobilien auf Erbpacht bei im Beispiel genannten Bedingungen zum Ladenhüter, weil sie bestenfalls mit deutlichen Preisabschlägen zu veräußern sind.  

Die Nachteile des Erbbaurechts aus heutiger Sicht  

  • Im Vergleich zur Kreditierung eines Vergleichsgrundstücks zu teuer
  • Anpassungsklauseln führen künftig zu noch höheren Erbbauzinsen
  • keine Verhandlungsspielräume bei Neuabschluss
  • Erbbaurechtnehmer hat keinen Verlängerungsanspruch
  • schlechter Markt für (bebaute) Erbbaugrundstücke
  • ungünstigere Finanzierungsrahmendaten 

 

Fazit zum Thema Erbbaurecht

Die Nachteile des Erwerbs mit Erbbaurecht überwiegen. Gerade wegen des dauerhaft sehr niedrigem Zinsniveaus sogar uneingeschränkt. Die ursprünglich vorhandenen sozialen Beweggründe werden heute politisch völlig verfehlt. Lobbyverbände wie der bundesweit tätige Verband Wohneigentum (vormals Siedlerbund) kämpfen bisher vergeblich für eine Änderung der Gesetzeslage.